Attentat auf

Kaiser Wilhelm II

 

Schweriner Fürstenzimmer wurde vor 129 Jahren mit viel Prunk und einem lauten Knall eröffnet

 

Wir schreiben den 1. Oktober 1889.

Das Wetter ist hervorragend und in exakt 20 Minuten soll der auch als Reisekaiser bezeichnete und verspottete Wilhelm II. mit seinem Salonwagen-Hofzug aus Berlin in Schwerin eintreffen – nur einen Tag nach der Eröffnung der neuen Strecke Ludwigslust-Schwerin.

Für diesen Besuch gibt es keinen besonderen politischen Anlass, Wilhelm II. will nur seinen engen mecklenburgischen Verwandten, den mecklenburgischen Großherzog Friedrich Franz III., besuchen. Der wird ihn zum ersten Mal in den erst in buchstäblich letzter Minute fertiggestellten Räumlichkeiten für den Aufenthalt „Allerhöchster und Höchster Herrschaften“ begrüßen – dem reich und künstlerisch ausgestatteten „Fürstenzimmer“ im südlichen Eckpavillon des Bahnhofsgebäudes, zu dem auch jeweils Extraräume für das Herrengefolge und für die Hofdamen gehörten.

Vor diesem fürstlichen Warteraum befand sich ein überdachter und extra breiter Hausbahnsteig, um genügend Platz für den roten Teppich und mit Girlanden geschmückte Ehrenpforten sowie für die Aufstellung der Leibkompanie des Großherzoglich Mecklenburgischen Grenadierregiments Nr. 89 und dessen Musikkorps zu haben. Doch plötzlich ist aus dem Inneren ein lauter Knall zu hören: Ist womöglich eine für den Kaiser gedachte Bombe zu früh explodiert? War ein Attentat geplant? Nur wenige Minuten bevor der hohe Gast aus Berlin pünktlich in der mecklenburgischen Residenz eintrifft, wird Entwarnung gegeben: Schuld an dem lauten Knall war offenbar ein großen Bild, das mit viel Getöse hinter ein Sofa gestürzt war. Es war ausgerechnet ein Porträt des Reisekaisers.

Als er und sein Schweriner Verwandter, Großherzog Friedrich Franz IV., durch die Novemberrevolution gezwungen tatsächlich gestürzt werden und abdanken müssen, endet am 14. November 1918 auch die 29-jährige Geschichte des Schweriner „Fürstenzimmers“, von dem sich weder irgendein Foto noch Mobiliar erhalten haben. In harschen Worten verbot der Schweriner SPD-Finanzminister am 30. August 1919 dem ehemaligen Landesherren und seiner Familie das Betreten der Fürstenräume auf den mecklenburgischen Bahnhöfen.

Seit 2002 kümmert sich der nach der denkmalpflegerisch betreuten Restaurierung gegründete Verein Fürstenzimmer Schwerin Hauptbahnhof e.V. um eine zeitgemäße kulturelle Nutzung und um die weitere Restaurierung und Komplettierung des Ensembles. Und mitunter kann man dort auch Peter Falow, dem stellvertretenden Vereinsvorsitzenden, in einer historischen Galauniform begegnen. Denn wenn am Schweriner Hauptbahn wieder mal „Großer Bahnhof“ war, dann hatte auch der Bahnhofsvorsteher erster Klasse mit Zweispitz, Handschuhen und Degen mit Portepee zu erscheinen.

Jürgen Seidel, 13. Februar 2018

Foto: Peter Falow, Mitglied des Fürstenzimmers in historischer Galaunifom